Von der Gastronomie in die Kita
05.10.2023 Kindertagesbetreuung
Kim Tebbe hat sich 2021 zur Assistenzkraft in Kindertageseinrichtungen weitergebildet. Für die frühere Hotelfachfrau kam das damals noch neue Weiterbildungsangebot genau zur richtigen Zeit. Die Referentin und Multiplikatorin Katrin Frindert hat sie und viele andere Quereinsteigerinnen und -einsteiger auf ihrem Weg begleitet. Beide sind begeistert von dem Konzept. Im Interview erzählen sie, warum.
Frau Frindert, Sie führen als Multiplikatorin Weiterbildungen durch, die den Quereinstieg in die Kita ermöglichen. Was ist das Besondere daran?
Das Angebot ist eine Riesenchance für Menschen, die schon immer mit Kindern arbeiten wollten, bei denen es aber aus irgendwelchen Gründen nicht funktioniert hat. Von der Bankkauffrau über die Friseurin bis hin zur Ingenieurin oder zum Ingenieur – die meisten Teilnehmenden haben vorher schon in einem anderen Beruf gearbeitet und sind etwas älter. Das Charmante daran ist, dass auf diesem Weg auch andere Kompetenzen in die Kita gelangen, die natürlich auch den Kindern zugutekommen.
Wie ist das Weiterbildungsangebot aufgebaut und welche Abschlüsse gibt es?
Das Weiterbildungsangebot ermöglicht es, sich Schritt für Schritt zu qualifizieren. Es ist in drei Blöcke unterteilt, die aufeinander aufbauen: Wir bilden zur Assistenzkraft, zur Ergänzungskraft und zur Fachkraft in Kindertageseinrichtungen weiter. Das Innovative daran ist, dass die Weiterbildungen auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Es ist also kein niederschwelliges Angebot, sondern eine sehr intensive Weiterbildung mit einem hohen Praxisbezug. Viele Träger arbeiten bereits mit Helferinnen und Helfern zusammen, um mehr Hände, Ohren und Augen in der Kita zu haben. Deshalb wurde das Weiterbildungsangebot so konzipiert, dass es an verschiedenen Stellen Anknüpfungspunkte bietet: Wer schon über ausreichend Praxiserfahrung in der Kita verfügt, beispielsweise als Individualbegleiterin oder -begleiter, kann sich direkt zur Ergänzungskraft weiterbilden. Genauso können sich Kinderpflegerinnen oder -pfleger direkt zur Fachkraft qualifizieren.
„Das Charmante daran ist, dass auf diesem Weg auch andere Kompetenzen in die Kita gelangen, die natürlich auch den Kindern zugutekommen." Katrin Frindert, Referentin (Multiplikatorin)
Frau Tebbe, Sie haben sich zur Assistenzkraft weitergebildet. Wie kam es dazu?
Ich komme ursprünglich aus der Gastronomie. Durch die Corona-Pandemie war das alles nicht mehr so einfach, sodass ich mich umorientiert habe. Da mein Sohn schon groß ist, fand ich die Vorstellung spannend, mit kleinen Kindern zu arbeiten. Als ich die Anzeige für die Weiterbildung zur Assistenzkraft im Internet gefunden habe, habe ich mich gleich beworben. Mich hat das Angebot sofort überzeugt, weil es die Möglichkeit bietet, „reinzuschnuppern“. So konnte ich schauen, ob die Arbeit in der Kita wirklich etwas für mich ist.
Sie haben die Weiterbildung berufsbegleitend in zwei Modulen absolviert und sich in 200 Unterrichtseinheiten viel neues Wissen angeeignet. Wie hat das Lernen funktioniert?
Das Lernen war schon anstrengend, aber ich war so motiviert, dass es mir immer Spaß gemacht hat. Ich habe mich auch noch einmal richtig jung gefühlt. Sehr geholfen hat mir das Lerntagebuch, weil ich mich dadurch noch mal tiefergehender mit den Lerninhalten auseinandergesetzt habe. Wir haben außerdem viel in Lerngruppen gearbeitet und uns gegenseitig unterstützt. Das hat mir gut gefallen ebenso wie das Videofeedback zu meiner Arbeit in der Kita. Dazu habe ich mit einer Filmkamera eine Szene von mir aufgenommen, wie ich in der Kita mit einem Kind spiele. Und das wurde dann in der Gruppe mit Katrin Frindert zusammen ausgewertet. Das war sehr hilfreich, weil ich einen anderen Blick auf meine Art mit den Kindern umzugehen, bekommen habe.
„Mich hat das Angebot sofort überzeugt, weil es die Möglichkeit bietet, „reinzuschnuppern“. So konnte ich schauen, ob die Arbeit in der Kita wirklich etwas für mich ist." Kim Tebbe, Assistenzkraft
Frau Frindert, der Praxisbezug spielt eine wichtige Rolle bei der Weiterbildung. Wie wird das umgesetzt?
Die von Kim beschriebene Videosequenz dient mir als Referentin beziehungsweise Multiplikatorin dazu, dass ich einen Eindruck davon bekomme, wie die Teilnehmende mit den Kindern umgeht: Wie ist das Verhältnis? Wie zugewandt ist sie? In den klassischen Ausbildungen ist es so, dass die Lehrenden in die Kita gehen und dort die Auszubildenden besuchen. Wir arbeiten alternativ dazu mit dem Videofeedback. Zum anderen erwerben die Teilnehmenden zusätzliche Kompetenzen. Sie lernen, darüber zu sprechen, wie sie mit den Kindern umgehen, und zu reflektieren. Videoanalysen können dazu motivieren, einmal etwas Neues auszuprobieren oder Kleinigkeiten zu verändern.
Zu welchem Zeitpunkt der Qualifizierung können die Teilnehmenden Erfahrungen in der Kita sammeln?
In der Anfangsphase, also beim Einstiegsmodul 1 mit 160 Unterrichtseinheiten, ist die Arbeit in der Kita noch keine Voraussetzung. Das kommt dann im zweiten Teil, dem Modul 2 zur Assistenzkraft, mit 40 Unterrichtseinheiten. Da empfehlen wir, dass die Teilnehmenden in der Kita arbeiten, damit der Praxisbezug hergestellt werden kann. Das Aufgabenfeld einer Assistenzkraft gestaltet sich wie folgt: Sie kann zum Beispiel in Zeiten, in denen besonders viele Hände gebraucht werden, unterstützen, aber sie verfügt noch nicht über das pädagogische Grundwissen, um beispielsweise Gruppenprozesse zu moderieren. Das erfolgt in der nächsten Qualifizierung zur Ergänzungskraft.
Frau Tebbe, Sie haben Ihre Weiterbildung 2022 abgeschlossen und arbeiten seitdem in der Kita in Kaufbeuren. Wie wurden Sie aufgenommen?
Ich bin richtig gut angekommen und fühle mich sehr wohl. Ich arbeite auf Augenhöhe mit meinen Kolleginnen – egal ob Kinderpflegerin oder Erzieherin – und habe viel positives Feedback bekommen. Als Assistenzkraft kann ich mich ganz auf die Kinder konzentrieren. Das entzerrt und schafft viel Ruhe. Zum Beispiel beim Anziehen oder beim Essen: Ich kann bei den Kindern bleiben, die etwas länger brauchen, und begleite sie, bis sie angezogen sind oder fertig gegessen haben.
„Als Assistenzkraft kann ich mich ganz auf die Kinder konzentrieren. Das entzerrt und schafft viel Ruhe." Kim Tebbe, Assistenzkraft
Frau Frindert, wie sieht die Zusammenarbeit mit den Kitas aus?
Als Multiplikatorin gehört es zu meinen Aufgaben Interessierte, Träger von Kindertageseinrichtungen und Leitungen zum Weiterbildungskonzept zu beraten. Die Stadt Kaufbeuren, als Träger von Kitas, hat sehr schnell reagiert, um ihrem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Inzwischen rufen mich aber auch andere Träger und Kita-Leitungen aus dem südlichen Bayern an, die sich danach erkundigen, weil sie zusätzliche Hilfe brauchen. Der Fokus bei den Qualifizierungen liegt auf der individualisierten, bedürfnisorientierten Pädagogik. Dabei geht es in erster Linie darum, die Gefühle der Kinder wahrzunehmen. Genau das, was Kim gesagt hat: Zeit haben für die Kinder. Zu schauen, was sind gerade die Bedürfnisse und Bildungsthemen der Kinder. Und genau darauf bereiten wir die Teilnehmenden in der Weiterbildung vor. Auch das Thema Kindeswohlgefährdung, das heißt, wenn die Sicherheit des Kindes in Gefahr ist, ist ein wichtiger Pfeiler. Für die Kitas ist es eine Chance, Menschen in die Kita zu holen, die darüber hinaus auch noch andere Kompetenzen mitbringen.
Frau Tebbe, haben Sie Ihren Traumberuf gefunden?
Ja. Am Anfang war das schon eine Herausforderung, aber jetzt freue ich mich, wenn ich zur Tür hereinkomme und von 20 Kindern kommen zehn auf mich zu und wollen mir etwas erzählen. Das ist ein schönes Gefühl. Im Sommer starte ich mit der Weiterbildung zur Ergänzungskraft. Darauf freue mich schon!