Sozialarbeiterin – ein unglaublich vielseitiger Beruf:
Da wird es nie langweilig
29.07.2022 Kinder- und Jugendhilfe
„Die individuelle Begleitung von älteren Jugendlichen bei ihrem Entwicklungsprozess, das ist für mich etwas unglaublich Schönes“, erzählt Yvonne Fritz. Die Sozialarbeiterin arbeitet seit sechs Jahren beim Projekt „Kickstart! – ins (Berufs) Leben“ der „infau-lern/statt“ in Augsburg.
Der Arbeitsplatz von Yvonne Fritz liegt in einem roten Klinkerbau auf dem Gelände des alten Schlachthofs in Augsburg. Dort ist „infau-lern/statt“ untergebracht, die verschiedene Projekte für Jugendliche und junge Erwachsene rund um die Themen Arbeit, Ausbildung und Berufsleben umsetzt. Die 32-jährige Sozialarbeiterin ist für das Projekt „Kickstart! – ins (Berufs) Leben“ zuständig, das sich an ältere Jugendliche von 16 bis 27 Jahren richtet.
„In dem Projekt machen wir die Jugendlichen stark, damit sie in der Ausbildung oder an der Arbeitsstelle gut starten können“, erläutert Claudia Gaßner, die Pädagogische Leitung und stellvertretende Geschäftsführerin. Es gehe um Schlüsselkompetenzen wie Pünktlichkeit, Durchhaltevermögen, Zuverlässigkeit, eben alles, was man für einen ganz normalen Job brauche. Das werde trainiert und eingeübt. „Jugendliche haben bei Kickstart die Möglichkeit, sich in zwei Berufsfeldern des Innenausbaus auszuprobieren. Im Berufsfeld Farbe und Raumgestaltung probieren sie sich aus als Malerinnen und Maler oder auch als Lackierinnen und Lackierer, im Berufsfeld Holz und Schreinerei lernen sie Tischlerei und Zimmerei kennen.
„Ich arbeite mit jungen Menschen, die unterschiedliche Schwierigkeiten haben – etwa mit der Schule oder auch mit der Sprache. Andere haben gesundheitliche Probleme. Auch Jugendliche mit strafrechtlichen Themen sind immer mal wieder dabei“, schildert Yvonne Fritz, die in Eichstätt soziale Arbeit studiert hat. Diese sehr unterschiedlichen jungen Menschen haben bislang noch keinen Schulabschluss. „Dabei fehlt ihnen einfach ein wenig Unterstützung. Die bekommen sie hier, wir haben dafür ein hauseigenes System entwickelt, das ist genau das richtige“, sagt Yvonne Fritz. Sie arbeitet eng zusammen mit einer weiteren Sozialarbeiterin und den Handwerkern im Haus – sie unterrichten, betreuen und begleiten die Jugendlichen. Pro Woche geben sie 30 Unterrichtseinheiten, deren praktischer Teil in den Werkstätten erfolgt, der theoretische Teil in den Unterrichtsräumen. Zum Angebot gehören berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, wie Bewerbungstraining, Praktika in anderen Betrieben und IT- und Medienkompetenz. Hinzu kommt der lebenspraktische Unterrichtsstoff, wie etwa Projektarbeiten, Gruppenaktivitäten und weitere Informationen rund um Beruf und Alltag. Auch soziale Kompetenzen werden durch Einzel- und Gruppenübungen sowie Supervisions-Gespräche gestärkt.
Persönliche Begrüßung zum Start in den Tag
Jeden Tag trifft sich Yvonne Fritz um 8:15 Uhr als erstes mit den Jugendlichen. „Wir kommen in der Früh zusammen, starten den Tag gemeinsam und zuerst frage ich immer: Wie geht es euch? Braucht ihr irgendwas? Danach legen wir Termine für Einzelgespräche fest und ich plane meinen Tag“, erläutert sie. Diese Gespräche sind der Hauptanteil ihrer Tätigkeit, zum Beispiel mit der 21-jährigen Mays. Mays bespricht an diesem Tag mit Yvonne Fritz ihre Bewerbungsunterlagen, die sie in einem geschmackvollen matt-roten Hefter präsentiert. „Ich möchte mich für eine Ausbildung im Einzelhandel bewerben“, erzählt die junge Frau mit den halblangen schwarzen Haaren. Wie man eine gute Bewerbung erstellt, hat sie im Unterricht gelernt. Yvonne Fritz ist zufrieden mit Mays Bewerbung, schlägt lediglich zwei kleinere Änderungen vor.
Auch Mohammad, 23, ist einer der Teilnehmenden. In der Werkstatt möchte er wissen, was Yvonne Fritz zu seinem von ihm selbst entworfenen Tisch sagt. Sie schaut sich seine Arbeit genau an, weist auf eine kleine raue Stelle am Rand hin. „Die mache ich noch weg“, sagt Mohammad, der sich inzwischen dank Kickstart sicher ist, dass er Schreiner werden will. Yvonne Fritz mag es, dass immer wieder andere Aufgaben anfallen. „Die jungen Menschen haben unterschiedliche Bedarfe: mal geht es um Ämterangelegenheiten, etwa wenn sie einen Brief vom Jobcenter nicht verstehen, mal geht es um das Thema Schuldenmanagement“, beschreibt Yvonne Fritz. Sie hilft nicht nur bei Bewerbungsschreiben, sie trainiert auch mit den Jugendlichen Vorstellungsgespräche und unterstützt bei persönlichen Problemen.
Eine Basis für die Berufsausbildung schaffen
Die Einrichtung konzentriert sich auf die individuelle Begleitung der jungen Menschen. „Ich finde es ganz wichtig, dass wir die Basis der Jugendlichen stärken. Denn wenn die Grundlagen nicht stimmen, sind Themen wie Finanzen, Gesundheit oder auch emotionale familiäre Situationen schwierig zu bewältigen. Die Folge ist, dass sie sich schlecht auf die Berufswelt konzentrieren“, sagt Sozialpädagogin Fritz, die nur von ihrem Beruf schwärmen kann: „Es ist so ein schöner Gedanke, eine stabile Bezugsperson zu sein, Menschen zu begleiten und natürlich auch den Entwicklungsprozess zu sehen. Ich mag das unglaublich gerne, wenn Menschen verschiedene Erfahrungen und Erlebnisse mitbringen, wenn sie einen mitnehmen in ihre Welt und ich ein Stück des Wegs mit ihnen gemeinsam gehen kann. Jeder Mensch ist anders und handhabt Probleme auf seine oder ihre Weise – ich weiß also nie, was passiert. Das ist etwas Tolles – gelangweilt habe ich mich übrigens noch nie.“
„Ich empfehle meinen Beruf allen, die gerne Abwechslung haben, die in neuen Situationen flexibel reagieren und Freude daran haben, mit unterschiedlichsten Menschen zu arbeiten.“ Sozialarbeiterin Yvonne Fritz
Was sollten Menschen, die sich für ihren Beruf interessieren, ihrer Meinung nach mitbringen? „Ich empfehle meinen Beruf allen, die gerne Abwechslung haben, die in neuen Situationen flexibel reagieren und Freude daran haben, mit unterschiedlichsten Menschen zu arbeiten. Offenheit und Kommunikationsstärke gehören dazu und natürlich der Grundgedanke, anderen helfen zu wollen.“
Kickstarter! Ins (Berufs) Leben
„Kickstarter! Ins (Berufs) Leben“ ist ein Projekt der infau-lern/statt in Augsburg. Das gemeinnützige, soziale und handwerkliche Dienstleistungsunternehmen, ist eine Tochtergesellschaft der Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Augsburg. Kickstart richtet sich an ältere Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren, die die Schulpflicht erfüllt haben, über keine berufliche Erstausbildung verfügen und beim Jobcenter gemeldet sind. In Kickstart können sie zwei Berufsfelder des Innenausbaus kennenlernen.